Was wie ein dubioser Hinweis für eine Schnitzeljagd klingt, ist in Wirklichkeit ein praktisches Versuchsmodell, um die wachsende Weltbevölkerung in Zukunft zu ernähren. Aber der Reihe nach. Am 13. Juli 2022 besuchte das P-Seminar von Frau Merz die LWG, die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau an der Galgenfuhr in Bamberg.
Hier wurden uns zwei völlig diametral entgegengesetzte Gartenbaumethoden auf ein und demselben Betriebsgelände vorgestellt: zunächst die ultramodernen, highend-hightech Gewächshauskulturen und gleich im Anschluss daran der komplett biologisch-ökologische, nachhaltige Freilandanbau. Man könnte fast sagen, dass bei der LWG zwei Welten aufeinanderprallen. Dem ist aber nicht ganz so, denn die Aufgabe derselben ist es, in diese beiden Richtungen zu forschen, um so durch die dadurch erlangten Versuchsergebnisse Gartenbaubetriebe optimal beraten zu können.
Wir haben dabei nicht schlecht gestaunt, als uns Herr Schulz in seine „Hexenküche“ geleitet hat, in der Pflanzen, wie Paprika, Gurken und sogar Ingwer, ganz und gar „erdlos“, auf in Plastiksäcken verpackten Kokos- oder Holzfasern oder Perlite (= aufgeblasenes Vulkangestein mit optimalem Porenvolumen) im Gewächshaus heranwachsen.
Herr Schulz muss hierfür die optimalen Düngerezepturen zusammenbrauen, die richtige Menge an Schlupfwespen zur Schädlingsbekämpfung einsetzen, Pflanzen durch Zugketten in die gewünschte Wuchsrichtung trimmen, sämtliche Heizungssysteme richtig einstellen und dafür sorgen, dass das Wasser, das zusammen mit dem Düngesubstrat auf die Pflanzen gegossen wird, anschließend wieder aufgefangen und in einer UV-Anlage sterilisiert wird, damit man es hernach erneut zum Gießen verwenden kann.
Bei einem so enormen Einsatz an Technik, Substraten und Fachkenntnissen sind selbstverständlich hohe Ernteerträge die Folge. Erstaunlicherweise ist dies aber gar nicht das primäre Ziel der LWG. Viel mehr freut man sich über so manche Pflanzenkrankheit, wie die Stängelfäule oder eine Marmorierung der Blätter, damit man dann erforschen kann, wie sich solche Probleme möglichst effizient lösen lassen. Pflanzen werden zu diesem Zweck sogar künstlich mit Krankheiten infiziert. Selbst ein Lieferausfall bei den Schädlingsfressern und ein daraus resultierender hoher Lausbefall beim Gemüse erfreuen das Forscherherz.
Spektakulär war auch der Anbau von Salat auf einer versiegelten Box, in der sich lediglich eine Nährlösung befindet, die man eventuell sogar 12 Jahre lang wiederverwenden kann. Aber dies muss erst noch durch eine weitere Testreihe erkundet werden.
Nach dem Einblick in diesen Hightech-Gartenbau, der vielleicht die Zukunft ist, führte uns anschließend Herr Banner auf die Felder der LWG, wo wir eine Form von Anbau sahen, die eher dem entsprach, was man sich so als Elftklässler unter Gemüseanbau vorstellt. Ganz so war es dann aber auch hier nicht, denn in unmittelbarer Nachbarschaft zu den eben besichtigten „Gewächshäusern aus der schönen neuen Welt“ versucht die LWG hier nun ganz ohne Chemie, ohne Substrate und ohne Nährlösungen, also völlig biologisch-ökologisch, optimale Ernteerträge zu erzielen. Auch hier sind wieder Schädlinge und suboptimale Wachstumsbedingungen „erwünscht“, denn es geht auch hier primär um die Forschung und nicht um eine Gemüseerzeugung für den Verkauf. Beispielsweise werden verschiedene Tomatensorten extra von oben beregnet, obwohl diese Pflanzen das überhaupt nicht wollen. Aber man will so herausfinden, welche Tomatensorte am besten gegen Braunfäule resistent ist. Außerdem erprobt man den Anbau von Honig- und Netzmelonen, Süßkartoffeln, Ingwer, Tellerlinsen, Flachs und von Teff, einer Hirseart aus Äthiopien, mit der man glutenfreies Mehl herstellen kann. Besonders angetan waren wir von den putzigen, frei umher watschelnden indischen Laufenten, die auf dem Gelände der LWG „angestellt“ sind, um Schnecken und andere Schädlinge von den Feldern wegzupicken. Andere Enten würden auch den Salat auffressen, was indische Laufenten jedoch nicht tun. Verblüffend war auch, dass man auf einem Karottenfeld durch das Aufstellen von einigen mit Zwiebelöl gefüllten Gefäßen Schädlinge erfolgreich abhalten kann. Für dieses äußerst erfreuliche Versuchsergebnis nehmen es die Angestellten der LWG bei der Feldarbeit auch in Kauf, dass ihnen bisweilen ein ziemlich strenger Zwiebelgeruch in die Nase steigt.
Auch diverse Bewässerungsmethoden, ein Rotationsanbau, ein autonomer Hackroboter mit Kamera und GPS, verschiedenartige Blühstreifen, neuartige Biomulchfolien aus Maisstärke statt Plastik, Maßnahmen gegen den Kohlerdfloh sowie Einsatzmöglichkeiten von Samenhanf (z.B. als Dämmstoff) werden auf dem Gelände der LWG ausprobiert.
Die Anbauprodukte der LWG werden übrigens nicht verkauft, da man keine Konkurrenz für die heimischen Gärtner darstellen möchte, sondern diese durch Forschungsergebnisse unterstützen will. Das Gemüse, an dem chemische Substanzen getestet werden, muss natürlich entsorgt werden. Der Rest geht aber an die Tafel, die Niederbrunner Schwestern oder wird in der Kantine der LWG verarbeitet.
Am Ende dieser äußerst eindrucksvollen Führung haben wir Gemüse ganz neu wertschätzen gelernt und wir waren froh, dass nicht wir sondern Experten die Entscheidung über den Gemüseanbau der Zukunft treffen werden, denn für uns waren sowohl die Hightech-Gewächshäuser als auch der ökologische Anbau am Ende der jeweiligen Führung sehr überzeugend. Und am Nachmittag unseres Exkursionstages wurden wir beim Besuch der in der Nähe der LWG gelegenen SOLAWI sogar noch mit einer dritten Form der Landwirtschaft der Zukunft konfrontiert. SOLAWI bedeutet Solidarische Landwirtschaft, die nach eigenen Angaben „dem Gemüse den Preis wegnehmen und den Wert zurückgeben“ will. Hierbei kann man als sogenannter „Ernteteiler“ für einen monatlichen Beitrag von 86 Euro (= großer Anteil) oder 43 Euro (= kleiner Anteil) Mitglied werden und man erhält dafür wöchentlich einen bestimmten Teil der auf dem sechs Hektar großen Acker der SOLAWI erzielten Ernte. Die Feldarbeit übernehmen zwei festangestellte Gärtner, die rein biologisch-ökologisch, ohne großen Maschineneinsatz, ohne chemische Düngung wirtschaften, und wer will und kann, darf beim Gemüseanbau gerne mithelfen.
Um ein ähnliches Projekt handelt es sich bei dem neben der SOLAWI gelegenen Gemeinschaftsgarten. Dies sind 20 Parzellen à 30 Quadratmeter. Eine solche Parzelle kann man pro Jahr für 150 Euro pachten, wobei im Preis auch die Kosten für Samen, Dünger und Wasser enthalten sind. Man muss nicht einmal ein Fachmann sein, denn bei dem Projekt geht es um ein sogenanntes „angeleitetes Gärtnern“ nach einem ausgeklügelten Pflanzplan. Eine Familie kann auf einer solchen Parzelle ihr Gemüse für ein ganzes Jahr selbst anbauen, sofern sie ihre Pachtfläche sorgfältig bestellt.
In Zukunft will man durch ähnliche Projekte, den interkulturellen Garten auf dem Erba-Gelände und durch mehrere auf die gesamte Stadt verteilte Hochbeete, die solidarisch genutzt werden sollen, eine „essbare Stadt“ schaffen.
P-Seminar Merz