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Die Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE) klärte auf

Um ein Aussteigerinterview an einer Schule möglich zu machen, wird vorab in einem Workshop über Extremismus durch die BIGE aufgeklärt. In jeweils drei Schulstunden beschäftigten sich die Schüler unserer zehnten Jahrgangsstufe dabei mit folgenden Fragen: Was bedeutet Extremismus eigentlich? Warum schließen sich Jugendliche extremistischen Gruppierungen an? Welche Dresscodes hat der Rechtsextremismus? Was kann man gegen Extremismus tun?

Anhand von Grundrechten, wie der Menschenwürde, der Meinungsfreiheit und dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, eruierten die Jugendlichen mit Thomas Estrada von der BIGE, dass die Menschenrechte da ihre Grenze hätten, wo die Würde, das Leben und die Freiheit eines anderen bedroht wären. Extremisten wollen die Kernelemente unserer Verfassung abschaffen und unsere Demokratie beseitigen. Klar ist zu unterscheiden, dass es verschiedene extremistische Gruppen gibt (z.B. Rechtsextreme wie „Der rechte Weg“ oder „Die identitäre Bewegung“, Linksextreme, …). Diese verfolgen unterschiedliche Ziele, teilen aber alle den Willen, die Demokratie abschaffen zu wollen.

Mittels des 17-minütigen Kurzfilms „RADIKAL“ gingen die Schüler der Frage auf den Grund, warum manche Jugendliche extremistisch werden. Dies könne beispielsweise an Aggressionsproblemen oder einem zerrütteten Elternhaus liegen. Die jungen Erwachsenen sind unzufrieden mit sich selbst und fühlen sich allein gelassen. Sie sind häufig einfach gegen alles, ohne zu wissen, wofür sie eigentlich sind. Das macht sie leicht beeinflussbar und extremistische Gruppierungen, wie Linksextreme, Rechtsextreme oder Salafisten nutzen dies für ihre Zwecke aus. Sie bieten den Verzweifelten vermeintliches Verständnis, eine Gemeinschaft Gleichgesinnter und damit ein Gefühl der Zugehörigkeit.

In einer weiteren Einheit wurden den Jugendlichen verbotene Symbole und Zeichen der rechtsextremen Szene, wie beispielsweise das Hakenkreuz oder die „Siegrunen“ der SS erläutert. Glatzen, Springerstiefel und Bomberjacken seien out, so Estrada. Häufig verfallen die Neonazis auf selbsterfundene Logos oder verstecken ihre Botschaften hinter Ziffern und Buchstaben. Zusätzlich spielt häufig die Farbsymbolik – schwarz, rot und weiß – eine Rolle. Wenn auf einem schwarzen T-Shirt vorne horizontal zwei rote Balken zu sehen sind, zwischen denen in zwei Zeilen die Konsonanten HKNKRZ stehen, so steht das für Hakenkreuz, wobei nur die Vokale weggelassen wurden. Trotz der Verbote lassen sich bis heute vor allem in Kleidung immer wieder Anspielungen auf extremistische Hintergründe finden, z.B. bei der britischen Sportmarke Lonsdale. Auch wenn man beim Tragen einer Jacke auf dem Shirt „nur“ die Buchstaben „NSDA“ sieht, lässt sich klar erkennen, dass dies mit der „NSDAP“ zu verknüpfen ist. Das Modellabel „ellesse“ wurde von der Szene in „enness“ umgetauft, was sich als NS liest.

Estrada schloss seinen Workshop mit Aufforderung an die Schüler*innen, aktiv etwas gegen den Extremismus zu tun.

Ein Feedback einer Schülerin nach dem Workshop:

In Zeiten, in denen extremistische Ideologien weltweit an Bedeutung gewinnen, ist es von entscheidender Bedeutung, sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen, um Verständnis zu fördern und aktiv gegen Radikalisierung vorzugehen. Deshalb halte ich diesen Workshop auch für so sinnvoll. Ein Angebot für die 8. und 9.  Jahrgangstufe wäre in Betracht zu ziehen, da man die Möglichkeit hat, die eigenen Überzeugungen und Werte zu reflektieren. Durch die Auseinandersetzung mit extremistischen Ideologien kann man seine eigenen Standpunkte stärken und fundierte Entscheidungen treffen. Dies fördert eine aktive Bürgerschaft und stärkt die Demokratie. Allerdings ist anzumerken, dass ein Extremismus-Workshop allein nicht alle Probleme lösen kann. Es ist ein erster Schritt, um Bewusstsein zu schaffen und den Dialog zu fördern. Es erfordert jedoch eine kontinuierliche Anstrengung, um die erlernten Konzepte in die Praxis umzusetzen und nachhaltige Veränderungen zu bewirken. Indem wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen, können wir gemeinsam daran arbeiten, Extremismus zu bekämpfen und eine inklusive und friedliche Gesellschaft aufzubauen.

Der Workshop war die Voraussetzung für das Aussteigerinterview, welches eine Woche später mit der ganzen Jahrgangstufe im Mehrzweckraum stattfand. Bei diesem haben die Jugendlichen einen Einblick in das Leben nach dem Ausstieg und auch vor dem Ausstieg einer ehemaligen rechtsextremen Person bekommen. Das Interview zeigte viele Etappen vom Einstieg in die rechtsextreme Szene bzw. wie es dazu kommen konnte bis hin zum Ausstieg und das Leben danach. Zu Beginn hat Thomas Estrada ein Einzelgespräch mit der Person darüber geführt. Anschließend konnten noch Fragen gestellt werden.

Auch hier reflektierten ein Schüler anschließend: Mir hat das Aussteigerinterview gefallen, da sehr detailliert darauf eingegangen wurde, wie der schleichende Prozess des Rechtsextremwerdens abgelaufen ist. Man konnte gut mitverfolgen, wie sich die Person mit 16 Jahren naiv auf neue Leute in einer Bar eingelassen hat und wie sie dann langsam immer weiter in diese Gruppe reingezogen wurde. Außerdem war es toll, wie offen und ehrlich sie alle Fragen beantwortet hat und auch immer sehr deutlich erzählt hat, wie und was alles passiert ist. Es wurde uns klar vermittelt, wie gefährlich es sein kann, in einer rechtsextremen Gruppe zu sein.