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Gute Frage: Was tun, wenn du weißt, dass die Welt morgen untergeht? Luther hätte angeblich noch schnell ein Apfelbäumchen gepflanzt. Und wir? Wohl eher nicht. Erstmal checken, ob das nicht schon wieder Fake News sind. Wirkt sich sowas auf die Börsenkurse aus? Was soll ich da anziehen? Und was sagen eigentlich die Promis dazu? Man merkt schon: Es ist ein satirisch-böses Gedankenspiel, das der Oberstufen-Theaterkurs unter Leitung von Claudia Mittendorf und Inge Arnold in Anlehnung an den 1939 im KZ von den Nazis ermordeten Österreicher Jura Soyfer auf die Bühne gebracht hat. Ein Wagnis, gilt doch Kabarett zurecht als eine der schwierigsten Gattungen der Schülerbühne.

Soyfers Stück mischt Klamauk mit bissiger Gesellschaftskritik: Da die Erde bereits seit einigen tausend Jahren die Sphärenharmonie stört, haben die Sonne – Ronja Hau beeindruckte als dominante Kapellmeisterin mit Peitsche – und die übrigen Planeten eine „Notverordnung“ erwirkt, um die Ordnung im Weltall wiederherzustellen. Der vagabundierende Komet Konrad, den Mirko Balac locker und pfiffig als Hallodri mit einer Vorliebe für Sternschnuppen verkörperte, wird zur Erde geschickt, um diese zu zerstören. Dort sorgt die Entdeckung der drohenden Gefahr durch die idealistische Professorin Guck für Aufregung.

Wie im Flug verbreiten Internet und Journalisten die Nachricht vom  bevorstehenden Weltuntergang. Die Professorin wird von Staatenlenkern empfangen, diplomatische Kreise diskutieren die weltpolitischen Konsequenzen, die Wirtschaft boomt aufgrund des wirklich allerletzten Schlussverkaufs und die Modewelt entwirft Cocktailkleider in Crepe comète… Professorin Gucks Versuche, die Menschheit zu retten, interessieren in diesem Rummel keinen, zumal sie ja den Wirtschaftsaufschwung gefährden könnten. Die schwierige Rolle der zunehmend verzweifelten Idealistin in einem ebenso oberflächlichen wie egoistischen Umfeld verkörperte Franziska Gumbmann absolut glaubwürdig.  Beeindruckend an dieser abwechslungsreichen, flotten Inszenierung war zum einen, wie es der Truppe gelungen ist, den Text aus den dreißiger Jahren, der von tagespolitischer Satire lebt, an die Gegenwart anzupassen.

Beeindruckend – und gruselig, wenn man bedenkt, dass Despoten, engstirnige Nationalisten und kalte Geschäftemacher auch heute wieder hochaktuell sind. Und wenn man weiß, dass das Vorbild für den „Führer“ bei Soyfer kein geringerer als Hitler war, dann ging Luca Rieglers Verkörperung eines „modernen“ Ultranationalisten à la Trump, Putin, Erdogan, Orban… unter die Haut. Auch die Anpassungsfähigkeit der Schauspieler, von denen die meisten mehrere Rollen spielten, war beachtlich. So agierte Miriam Basel als verführerische Venus, als Modetussi, als Sekretärin oder als Journalistin. Und Philipp Mohr verkörperte sogar acht Rollen – den Planeten Saturn ebenso wie den Tagesschausprecher und einen Weltuntergangsprediger. Komisches Talent bewiesen Austin Osuji und Marie Riedel als zwei verliebte „Mausis“, deren Ehepläne – genauer gesagt: ihre, nicht seine – durch den nahenden Kometen gestört werden. Gemeinsam mit René Geigenberger setzte Marie zudem als Straßensängerin einen besonderen Akzent durch den Vortrag des selbstkomponierten Weltuntergangsraps. Heiko Schäfer und das Technikteam Kevin Gutjahr und David Haselbauer verstanden es auf beeindruckende Weise „industrial light and magic“ einzusetzen – etwa bei der im Goldglanz erstrahlenden Sonne oder beim heranbrausenden Kometen, der die Erde dann am Schluss doch verschont. Bei Soyfer, weil er sich in die Erde gerade wegen ihrer Macken verliebt hat, in der nüchterneren Fassung der beiden souveränen Regisseurinnen, weil das irdische Theater doch die allerbeste Unterhaltung im Universum biete.

Das gut eingespielte Team kennzeichnete eine besondere Verbundenheit, wie René Geigenberger nach der Aufführung in seinem Dank an die beiden Leiterinnen betonte, eine Bindung, die auch die „Gastauftritte“ der beiden „Pensionistinnen“  Inge Arnold und Jana Triller untermauerten. So gelang die Herausforderung, ein 46 Personen-Stück (!) von ursprünglich zwei Stunden Länge in einer konzentrierten, abwechslungsreichen, modernisierten Fassung zu präsentieren, mit lockerer Heiterkeit. Ein ebenso unterhaltsamer wie nachdenklicher Theaterabend.

U. Steckelberg